Die spektakuläre Fahrt über den Klausenpass

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Die Klausenpass-Linie nimmt ihren Anfang am neu errichteten Kantonsbahnhof von Altdorf. Von hier startet im Sommer vier mal täglich ein Linienbus der Auto AG Uri und nimmt die knapp zwei stündige Reise durchs wildromantische Schächental hinauf auf den Klausenpass in Angriff. Über die grösste Alp der Schweiz, dem Urnerboden gelangt der Bus ins Glarnerland nach Linthal, wo Anschluss für die Weiterfahrt nach Glarus besteht.

100 Jahre lang waren die Busse am Klausenpass gelb - heute wird die Linie von der AAGU betrieben und die einst gelben Fahrzeuge wurden überklebt
100 Jahre lang waren die Busse am Klausenpass gelb - heute wird die Linie von der AAGU betrieben und die einst gelben Fahrzeuge wurden überklebt

90.408, Altdorf-Unterschächen-Klausenpass-Linthal

Ausgangspunkt dieser Reise ist der im Dezember 2021 neu eröffnete Kantonsbahnhof. Damit wurde Altdorf zum neuen Dreh- und Angelpunkt des öffentlichen Verkehrs im Kanton Uri. Seither kommen praktisch alle Buslinien auf dem modernen Busbahnhof zusammen. Eine davon trägt die Nummer 408 und führt im Sommer über den Klausenpass bis ins Glarnerland. Der Fahrplan sieht von ende Juni bis ende September täglich vier Kurse vor. Während 100 Jahren war die herrliche Alpenpassfahrt ein Aushängeschild der PostAuto AG. 

Kurzer Halt beim Telldenkmal, im Hintergrund ist der Nationalheld gut zu erkennen
Kurzer Halt beim Telldenkmal, im Hintergrund ist der Nationalheld gut zu erkennen

2022 entschloss sich die PAG jedoch, sich aus dem Kanton Uri zurück zu ziehen und überliess die Konzession der AAGU. Diese fungierte zuvor jahrelang als PostAuto-Halter und betrieb diverse Urner Berglinien im Auftrag der Post. So ändert sich für das Fahrpersonal und die Gäste ausser einem neuen Anstrich der Fahrzeuge nicht viel. Sobald der Anschluss vom Treno Gottardo aus Zürich / Luzern abgenommen wurde, kann die rund zweistündige Reise beginnen. Vorbei am Kantonspital Uri zwängt sich der Linienbus durch den engen und vom Verkehr geplagten Altdorfer Ortskern zum Telldenkmal.

Der Zusatzwagen hat Bürglen hinter sich gelassen
Der Zusatzwagen hat Bürglen hinter sich gelassen

Wenig später passiert der Bus die grosszügigen Fabrikgebäude der Dätwyler AG, einem der grössten und wichtigsten Arbeitgeber im Kanton Uri. Im Anschluss gabelt sich beim Kollegium die Strasse in Richtung Urner Reusstal und jene ins Schächental. Der AAGU Bus der Linie 408 entscheidet sich für letztere Variante und nimmt die Bergfahrt hinauf nach Bürglen in Angriff. Die drittgrösste Gemeinde des Kantons bildet das Tor zum Schächental. Weiter soll der Sage nach im beschauliche Bergdorf Wilhelm Tell und seiner Familie gelebt haben. Im Tellmuseum können Interessierte in die faszinierende Welt von unserem Nationalhelden eintauchen.

Zusatzwagen gehören bei schönem Wetter am Klausenpass zur Tagesordnung
Zusatzwagen gehören bei schönem Wetter am Klausenpass zur Tagesordnung

Die Reise führt derweil weiter taleinwärts nach Brügg, dem  Ausgangspunkt von zwei kleinen aber für die Region sehr wichtigen Luftseilbahnen. Eine führt nach Biel-Kienzig, die andere nach Ruogig. Beide Destinationen befinden sich an der Wanderroute des Schächentaler Höhenwegs und ermöglichen den Wanderern eine bequeme Aufstiegshilfe. Auch die Klausenpassstrasse fängt nun an zu steigen und so kämpft sich das Fahrzeug mit zwei Kehren über den Holzboden nach Spiringen hinauf. Auch hier besteht Anschluss auf eine kleine Luftseilbahn, jene ins Ratzi.

Bis Unterschächen sieht der Fahrplan das ganze Jahr einen Stundentakt vor
Bis Unterschächen sieht der Fahrplan das ganze Jahr einen Stundentakt vor

Für den AAGU Bus geht nun immer tiefer ins wildromantische Schächental hinein. Die Strasse folgt nun dem Flussverlauf Schächen, welche dem Tal auch den Namen gab. Nach rund 30 Minuten trifft man in Unterschächen ein. Bis hier hin wird ganzjährig ein durchgehender Stundentakt angeboten. Das 700 Seelendorf am Fusse der Windgällen kommt nur etwa ein halbes Jahr in den Genuss von Sonnenstrahlen. Nach dem der Dorfkern hinter einem gelassen wurde, verengt sich die Strasse und die eigentliche Passfahrt beginnt.

Der AAGU Bus unterwegs im Werbekleid des Urnertors passiert den Hältikehr
Der AAGU Bus unterwegs im Werbekleid des Urnertors passiert den Hältikehr

Die 1899 erbaute Route wurde von grossen Ausbauten, wie man sie zum Beispiel vom Gotthardpass kennt, verschont. So ist ein Kreuzen mit dem Gegenverkehr nicht immer problemlos möglich. Nach einer Kurve im Hältikehr kämpft sich der AAGU Bus nun am rechten Berghang hoch nach Urigen. Derweil ergibt sich in Fahrtrichtung links ein gewaltiger Ausblick hinunter nach Unterschächen mit der grössten zusammenhängenden Kalksteinwand im Hintergrund. Mit einem lauten Klang aus dem Posthorn, welches nachwievor auch in den AAGU Bussen verbaut ist, 

Der Mercedes Citaro LE fährt gerade am Hotel Urigen vorbei
Der Mercedes Citaro LE fährt gerade am Hotel Urigen vorbei

wird das Hotel Posthaus Urigen traditionsgemäss begrüsst. Schon seit über 100 Jahren werden hier oben Gäste von nah und fern bewirtet. Urigen war früher auch eine Pferdewechselstelle der Post, so stand gegenüber ein grosser Pferdestall, welcher aber durch eine Lawine zerstört wurde. Nun folgt der wohl spektakulärste Teil der Strecke, jener Abschnitt zum Balm. Ab der Haltestelle Frittertal gilt dann auch in den Wintermonaten die Wintersperre. Während anfangs die Strasse noch durch eine wunderschöne Weidelandschaft führt, wird das Gelände wenig später felsig und steil. 

Genau im engsten Teil des Passes sah der PostAuto-Fahrplan einst die Kreuzung mit dem Gegenkurs vor
Genau im engsten Teil des Passes sah der PostAuto-Fahrplan einst die Kreuzung mit dem Gegenkurs vor

Die einspurige Strasse schlängelt sich an den schroffen Felswänden entlang. Immer wieder ertönt der Drei-Klang-Ton, der die Automobilisten warnen soll. Dieser Abschnitt ist bei den Töfffahrern auch als Todesstrecke bekannt, den nur eine mickrige Leitplanke schützt vor dem Abgrund. Kaum zu glauben, aber genau an diesen Hängen wird noch eine alte Tradition gelebt, jene des Wildheuens. Denn das Schächental ist sehr bekannt für die Wiudhäijär, welche an den schier senkrechten Berghängen noch Heuen wie vor 100 Jahren. Aber nur dank diesem unermüdlichen Einsatz bleibt diese Gegend so wunderschön wie sie ist. 

Die Strasse wurde förmlich an den Felsen gehängt
Die Strasse wurde förmlich an den Felsen gehängt

Während der Reise ergibt sich in Fahrtrichtung rechts einen malerischen Ausblick auf die gegenüberliegende Bergkette, die von der Windgällen geprägt ist. Und als ob der Chauffeur nicht schon genug mit der Strasse zu kämpfen hätte, erklärt dieser über das Mikrofon immer wieder die umliegenden Bergspitzen.  Nach rund zehn Minuten, je nach Verkehr auch ein bisschen mehr, hat man die drei Kilometer lange Strecke bezwungen und die Landschaft wird wieder grüner und ebener. Und auch die Strasse wird zumindest etwas breiter, so dass ein Kreuzen, wenn auch nur knapp, möglich ist.

Weiter oben wird die Landschaft wieder grüner
Weiter oben wird die Landschaft wieder grüner

Nächster Halt ist das Ziel von vielen Wanderern, die Station unterer Balm. Von hier führt der 20 Kilometer lange Höhenweg das ganze Schächental talauswärts bis zur Bergstation der Eggbergen Seilbahn. Nachdem hier viele Leute den Bergbus verlassen haben, geht die Fahrt weiter zum Hotel Klausenpasshöhe. Ein erster Hotelkomplex wurde hier 1903, rund zwei Kilometer vor der eigentlichen Passhöhe erbaut. Das prunkvolle, im Jugendsil errichtete Haus stand jedoch auf schiefem, rutschigem Untergrund und die Gebäudestruktur litt in den 120 Betriebsjahren stark. 

Rechts sind noch die alten Grundmauern zu erkennen, dahinter das neue Hotel Klausenpasshöhe
Rechts sind noch die alten Grundmauern zu erkennen, dahinter das neue Hotel Klausenpasshöhe

So musste das nostalgische Hotel mit seinen 36 Betten und ohne fliessend Wasser Ende 2019 einem Ersatzbau weichen. Der gelungene Neubau wurde am 1. Juli 2021 eröffnet und heisst seither während der Passöffnungszeiten täglich Ausflügler und Wanderer auf der grosszügigen Sonnenterasse oder in der heimeligen Gaststube Willkommen. Zeit zum Einkehren bleibt mit dem neuen AAGU Fahrplan leider nur noch mit dem Mittagskurs, welcher hier eine 1 1/2 stündige Mittagspause vorsieht. Für die restlichen Kurse geht es nach einer Fünfminütigen Standzeit weiter zur Passhöhe.

Der Mercedes Citaro LE erreicht die Passhöhe
Der Mercedes Citaro LE erreicht die Passhöhe

Einige Höhenmeter später ist es geschafft und der Linienbus trifft auf der 1`948 Meter hohen Passhöhe ein. Neben dem Chlausenchappeli befindet sich auch ein kleines Selbstbedienungsrestaurant auf dem Alpenübergang. Ohne viel Zeit zu verlieren passiert man den höchsten Punkt der Strecke und nimmt die kurvenreiche Abfahrt zum Urnerboden in Angriff. Die enge Strasse führt durch die kleine Alpensiedlung Vorfrutt. Mit weiteren Haarnadelkurven windet sich der Bus immer weiter hinunter. Hie und da versperrt jedoch eine Kuh oder sogar eine ganze Herde den Weg ins Tal.

Der Setra S 315 passiert soeben den Weiler Vorfrutt
Der Setra S 315 passiert soeben den Weiler Vorfrutt

Das rund 8 kilometerlange und von bis zu 3000 Meter hohen Bergen eingeklemmte Hochtal bildet die Heimat von 1200 Kühen und 700 Rindern und ist somit die grösste Alp der Schweiz. Ab Mitte Juni ziehen die Kühe auf den Urnerboden. Ein paar Wochen später gehen die Hirten mit ihrem Vieh noch weiter hinauf, wo sie für etwa 6 Wochen bleiben. Ende August geht es dann für sie schon wieder hinunter auf den Urnerboden, wo die Kühe dann bis im September die letzten Spätsommertage geniessen können, bevor es mit einem festlichen Alpabzug zurück ins Unterland geht. 

Bei der Alpkäserei gibt es je nach dem nochmals eine kürzere Pause
Bei der Alpkäserei gibt es je nach dem nochmals eine kürzere Pause

So tuckert der AAGU Bus die schnurgerade Strasse entlang zum eigentlichen Dorfkern. Heute wohnen etwa noch 30 Personen auf dem Urner Boden, welche zur Gemeinde Spirigen gehört. Die Zeiten, als hier noch über 250 Menschen lebten und zur Schule gingen, sind längst vorbei. Die wenigen Schulkinder die es noch gibt, müssen täglich eine dreissig minütige Reise nach Linthal unternehmen. Trotzdem herrscht zumindest im Sommer dank einem sanften Tourismus viel Betrieb. Ein Grund dafür ist die 2014 neu errichtete Bergkäserei. 60 Älpler haben zusammen eine Alpsennengenossenschaft gegründet

Letzter Blick zurück auf den Urnerboden
Letzter Blick zurück auf den Urnerboden

und so den 6,5 Millionen teuren Neubau mit Käsereiladen und Schaukäserei finanziert. Nach einer kurzen Pause führt die Fahrt weiter bis zum ehemaligen Gasthaus Sonne. Den Abschluss des Urnerbodens bildet das kleine Argseeli. Kurze Zeit später ist die Kantonsgrenze erreicht, denn diese liegt nicht wie normal auf der Passhöhe, sondern eben erst nach dem Urnerboden. Im Winter, wenn die Passstrasse geschlossen ist, haben die paar Einwohner keine Chance direkt in den Kanton Uri zu gelangen. Wenn sie einmal in den Hauptort nach Altdorf müssen, steht ihnen eine rund 2 stündige Fahrt über Zürich bevor. 

Das PostAuto im Dorfkern von Linthal
Das PostAuto im Dorfkern von Linthal

Nun lässt der Linienbus aber den Kanton Uri definitiv hinter sich und das Glarnerland heisst die Fahrgäste willkommen. Auch hier ist die Strasse nicht breiter. Nun führt ein längeres Teilstück durch den Stelliwald. Ab und zu sichert eine kurze Galerie die Strasse vor Steinschlägen im Sommer und Lawinen im Winter. Wenn sich der Wald für einen kurzen Moment lichtet, ergibt sich auf der rechten Seite einen wunderschönen Ausblick auf den Glarner Talboden und der Ortschaft Linthal. Die aller letzten Höhenmeter werden dann nochmal mit einigen, mit Pflastersteinen bestückten Haarnadelkurven bewältigt.

Endstation Linthal Bahnhof, hier heisst es alles aussteigen
Endstation Linthal Bahnhof, hier heisst es alles aussteigen

Nach rund zwei Stunden ist es dann geschafft, und der Linienbus erreicht Linthal. 2011 fusionierte die Ortschaft zusammen mit 11 weiteren Dörfern zur neuen Gemeinde Glarus Süd. Vorbei am langgezogenen Dorfkern gelangt der Bus zum definitive Endpunkt der Strecke, dem Bahnhofsplatz von Linthal. Hier verabschiedet sich der Urner Chauffeuer von den Gästen und nimmt nach einer kurzen Pause die Rückfahrt in Richtung Urnerland in Angriff. Seit 1878 ist Linthal auch mit der Eisenbahn ab Ziegelbrücke her erschlossen. Bereits 1900 lagen Pläne vor, die Linie bis nach Biasca zu verlängern. Jedoch wurde das Projekt der Tödi-Greina-Bahn nie realisiert.

Ein ungewöhnliches Bild, eine Zürcher S-Bahn in der faszinierenden Bergwelt
Ein ungewöhnliches Bild, eine Zürcher S-Bahn in der faszinierenden Bergwelt

736, Linthal-Glarus

Der Abschnitt Ziegelbrücke-Linthal wurde in zwei Etappen und von zwei verschiedenen Bahnunternehmen realisiert. Seit 2014 ist das Glarnerland in die Zürcher S-Bahn integriert. Das bedeutet, dass stündlich ein Doppelstockzug der S25 von Linthal via Glarus - Ziegelbrücke bis nach Zürich HB verkehrt und so den Bergkanton bequem an die Grossstadt anbindet. Kaum hat der Doppelstockzug den Bahnhof von Linthal verlassen, kommt die Komposition bereits wieder zum Stehen. Auch wenn die Haltestelle Braunwald wirklich nur einen Katzensprung entfernt ist, 

Der NPZ Zug erreicht den Hauptort Glarus
Der NPZ Zug erreicht den Hauptort Glarus

freut dies die Wanderer und Wintersportler sehr. Sie gelangen über eine Treppe direkt in die Talstation der Braunwaldstandseilbahn. Gleich darauf folgt auch schon der nächste Halt. Denn der Zug nimmt hier die Position eines Busses ein und hält so in jedem noch so kleinen Dorf. So tuckert die Komposition gemütlich das Glarnerland nach vorne bis zum Hauptort von Glarus Süd, Schwanden. Von 1905 bis 1969 verkehrte von hier die Sernftalbahn nach Elm. Heute erinnert kaum mehr etwas an diese Zeit. Von hier ist es nicht mehr weit bis zum Hauptort des Kantons, Glarus. 

Die meisten Bilder entstanden zu Zeiten, als die Linie noch von der PostAuto AG betrieben wurde


Last Update: 20.11.2024

Letzte Reise: 06.09.2024